Wir haben es nett

Was ist schlimmer als ein kranker Mann daheim? Ein kranker Peter daheim. Ein Peter, der nicht mehr soo richtig kränkelt, aber noch nicht so weit wieder hergestellt ist, als dass er wieder den Kindergarten besuchen könnte. Solch ein Peter hat viele gute Ideen, was die eigene Freizeitgestaltung anbelangt. Dumm nur, dass Frau Kasi arbeiten muss und Herr Kasi ebenfalls. Doch Frau Kasi arbeitet von zu Hause aus. Herr Kasi ist mit frohgemutem Grinsen  und dem fragwürdigen Satz „Mach es Dir schön…“ (!?) soeben abgezogen. Mit quietschenden Reifen versteht sich. Nicht dass ihn noch jemand aufhält. Ich setze auf die Vernunft meines fast Sechsjährigen: „Peter, ich muss noch zwei Sachen fertig machen und bin im Büro.“ Peter nickt. Klar.

Das Sohnkind zu bespaßen, ist eine schöne Aufgabe. Wenn man Zeit hat. Heute habe ich aber keine. Ich arbeite an einem Serienbrief für einen sehr netten Herrn mit viel Geduld und alter Schule. Peter ist schon nach zehn Minuten langweilig. „Mama, wir könnten Kuchen backen.“ Ich entgeistert: „Wann? Morgen?“ Peter hat für dererlei Zeitverzögerung kein Verständnis: „Ne. Jetzt. Du schreibst doch nur. Marmorkuchen? Der schmeckt lecker.“ – Ich: „Mein Kind. Außer Schreiben habe ich nichts gelernt, und damit verdiene ich mein Geld.“ Peter kann das nicht verstehen: „Ist Schreiben Arbeit? Das kann doch jeder, der groß ist.“ Hmmm. Ganz schön scharfsinnig. Stimmt ja eigentlich. Als ich ablehne, Bibi-Blocksberg-Hexenmasken zu drucken und meinen Rechner für eine Runde Benjamin-Blümchen-löscht-das-Feuer herzugeben, drollt sich der Thronfolger beleidigt. Puh. Jetzt wieder mit Hochdruck kreativ sein. Dummerweise habe ich Hunger. Peter übt derweil Melodica. Vierviertel e.

Zehn Minuten und 20 Zeilen später. Das Telefon klingelt. Ein netter Neukunde, der Texte für seinen Webauftritt braucht. Peter indes braucht dringend was zu essen. Und Knete. Und hat keine Lust mehr auf Kranksein. Vor allem aber platzt er mitten in mein Neukunden-Telefonat: „Ein Stern, der Deinen Namen träääääägt…. hooooch am Horizont….“ Höflich aber bestimmt setze ich Ötzi-Junior mit einem energischen Griff und wild gestikulierend vor die Tür, was Peter mit lautem Klopfen und dem freundlichen Nachhaken „Was soll der Mist jetzt?“ quittiert. Ich erkläre dem freundlichen Herrn am anderen Ende der Strippe, dass ich kurz meinen kranken Sohn zur Raison bringen muss. Das mache ich nach Gesprächsende ausgiebig. Anschließend lasse ich Peter seinen Papa anrufen. Dass er sich über mich beklagt, nehme ich gerne in Kauf – so sieht Herr Kasi wenigstens, was ich mitmache. Jetzt gibt es aber erst einmal Mittagessen. Das Kind isst viel, ausgiebig und mit Spaß. Danach macht er Pause und beschallt das komplette Haus mit Elea Eluanda. Ezechiel, die Tröstereule, würde bei mir persönlich heute Abend im Suppentopf landen. Drei Ermahnungen (in steigendem Tonfall und mit anschwellender Lautstärke) später ist Ruhe im Haus. Peter hat sich hingelegt, weil ihm wieder eingefallen ist, dass er ja eigentlich krank ist. Ach stimmt ja. Überflüssig zu erwähnen, dass ich meine Arbeit erst spät abends auf die Reihe bekomme – als Herr Kasi nach etlichen Überstunden endlich heimkommt: „Na, hattet Ihr’s nett?“

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