Herr Kasi im Kinderparadies

Herr Kasi und ich, das darf ich getrost behaupten, sind ein gutes Gespann. Wir können nach zehn gemeinsamen Jahren immer noch herzlich miteinander lachen, gehen miteinander zum Fußball und vermissen einander sehr, wenn einer von beiden einmal ein paar Tage weg ist. Unser vereint nicht nur unser wunderbares Sohnkind, und morgens bin ich in den vergangenen Jahren auch noch nie erschrocken: „Huch, der ist ja immer noch hier.“ Alles paletti also. Herr Kasi ist ein Traummann, noch dazu einer, der alles was Frau Kasi im Alltag schrottet, pfeilschnell und pflichtschuldigst reparieren kann.

Ein sehr prägender Part unserer Beziehung war der Bau unseres gemeinsamen Hauses. Glauben Sie mir, wenn man nachmittageweise zur Radio-Fußballübertragung auf SWR 1 miteinander Decken geschliffen und gemeinsam Tonnen von Staub ausgehustet hat, eint das doch sehr, genauso wie das Verlegen von fast vier Kilometern Leerrohr. Man überlege einmal: Das ist zweimal die Strecke Margrethausen-Lautlingen. Nie hätte ich also gedacht, dass das höchst spröde Thema „Wohnzimmer-Vorhänge“ uns zu solch immensem Diskussionsbedarf und der einen oder anderen Diskussion verhelfen könnte. Die Vorhang-Debatten – ganz ohne Goldkante – fielen mitunter derart heftig aus, dass unser Thronfolger nach seiner Rückkehr aus dem Kindergarten einmal pflichtschuldigst fragte: „Und wie war’s bei Euch? Habt Ihr wieder gestritten?“

Zur Vorgeschichte: Seit dem Einzug am 31. Juli 2010 sind unsere schönen, großen Fensterflächen vorhangslos. Monatelang hat mich dieser Umstand bis jetzt kein bisschen gestört. Als mich einmal eine wohlmeinende Bürgerin darauf ansprach – „Man sieht sie abends aber SEHR gut…“ – konnte ich noch fröhlich kontern: „Ja, aber nur, wenn man reinguckt.“ Auch für familieninterne Ratschläge: „Ich würd‘ hier was Beiges hinmachen… wenn Du mich fragst….“ war ich wenig zugänglich, genauso wie für erschreckte Besucherinnen, die angesichts unserer Aquariumscheiben hektisch BH-Träger versteckten oder den Sitz ihres Slips überprüften. Doch mittlerweile finde ich die schmucklosen Glasfronten karg und freudlos, ich hätte gern etwas Stoffiges, was den ohnehin großen Geräuschpegel senkt, wenn im Hause Kasi mal wieder heftigst geredet wird.  Zuviel Stoff will ich meinen Fenstern aber auch nicht zumuten – denn dann wäre meine herrliche Aussicht in die Natur ja verhängt, verhüllt und den Hasen. Sie sehen, ein Dilemma. Und jetzt muss ich auch noch Herrn Kasi von etwas überzeugen, von dem ich selbst noch nicht einmal so richtig weiß, wie es aussehen soll. Den bockigen Gatten beunruhige ich mit dem klugen Satz einer Bekannten: „Fliesen legen, Tapezieren, Wände bemalen – das geht alles noch selbst. Aber Vorhänge aussuchen? Neee. Ich hatte da einen Innendesigner.“

Der baumüde Herr Kasi hat wie einst Dagobert Duck angstvolle Dollarzeichen in den Augen, ich sehe es deutlich. Ich bin ja nicht hartherzig. Schnell mache ich dem Gatten deutlich, dass mein Innendesigner durchaus auch aus Schweden kommen und „Ikea“ heißen darf. Das wiederum setzt eine zweite Panikwelle in Gang. Samstägliche Ausflüge zu Köttbullar und Apfelkuchen sind für meinen Mann ein Greuel. Er liebt Billy, Benno und Ivar erst dann, wenn sie vollbepackt in der heimischen Wohnstatt stehen. Am liebsten, ließ er einmal verlauten, würde er sich bei solcher Art von – seltenen – Familienausflügen gern im Kinderparadies absetzen lassen: „Der kleine Herr Kasi möchte aus dem Kinderparadies abgeholt werden…“ Um dann anschließend Jahrtausend-Vorröte an Teelichtern, Servietten und Tischsets ans Auto zu schleppen. Ich beschließe nach reiflicher Überlegung, mich dem guten Rat einer befreundeten Familie anzuschließen: „Die Vorhänge hat SIE ausgesucht.“ Drei Fachgeschäfte später merke ich, dass ich nach der Quadratur des Kreises suche, nach einem schwarzen Schimmel oder einem weißen Rappen. Ich habe keine Ahnung, ob ich Schiebevorhänge (hat grad jeder, der hip sein will, am liebsten mit Naturmotiven oder psychodelischen Mustern), Schals oder Raff-Rollos haben will. Weil ich von letzteren den Namen schon dämlich finde, fallen die gleich wieder raus. Psychodelische Schiebevorhänge mag ich auch nicht. Also entscheide ich mich für legere Schals, die links und rechts an meinen tollen, freien Fensterflächen hängen könnten. Dummerweise gibt es die Schals in den von mir besuchten Märkten aber nur mit Muster, also kleinen Kreisen, changierenden, roten Sternen oder pfiffigen (was für ein Wort) Linienmustern in bleu, die einen glauben machen, man hätte am helllichten Mittag schon zwei, drei Kurze gekippt. Weil mich Herr Kasi für so etwas meucheln würde, lasse ich sämtliche Stoffproben, wo sie sind, nämlich im Laden. Beim kinderfreundlichen Einkaufsschweden finde ich dann ganz schlichte, ungebleichte Schals aus Leinen, die ich für passend halte. Herr Kasi, den die Schalsuche sehr ermattet hat, findet sie erfreulicherweise einwandfrei, sie sind nicht von Esprit und demensprechend günstiger. Diese Kuh wäre vom Eis.

Doch wie kriegt man Vorhangschals jetzt an die Fenster? Gardinenstangen für so ein bisschen Schal finde ich dämlich und zu protzig. Ahnen Sie, wie viele verschiedene Möglichkeiten es gibt, Vorhänge aufzuhängen? Seilsysteme hängen durch und sehen  binnen kürzester Zeit aus wie ausgeleierte Wäscheleinen von der Oma. Für Schiebeschienen müsste ich meine so sorgsam geschliffene Decke wieder total verbohren. Sie ahnen – das nächste Problem. Im gefühlt 45. Markt finde ich endlich Schwenkhalter, die nicht nach Badezimmer-Einrichtung, Klorollen-Halter oder „20-Prozent-auf-alles-Baumarkt“ aussehen. Der Edelstahl ist zwar nicht echt, aber was soll’s. Vorhang auf! Beim Bohren, überflüssig zu erwähnen, hat dann wieder Herr Kasi seinen großen Auftritt als Heimwerkerkönig.

Eine schwere Hausgeburt

Wie die Zeit vergeht… tatsächlich ist ein Vierteljahr ohne neuen Text vergangen. Und dabei hat sich in den vergangenen Wochen so viel ereignet. Vermutlich fehlte Frau Kasi deshalb die Inspiration zum Schreiben. Das wird wieder anders, versprochen. Zunächst ist da natürlich das Haus, in dem es immer noch genug zu werkeln gibt. Aber irgendwie war bei der kompletten Familie Kasi jetzt erst einmal die Luft raus. Der Umstand, dass sich das Licht größtenteils nur unten am Sicherungskasten einschalten lässt, störte irgendwann niemanden mehr, nicht einmal meinen Mann, den eigentlichen Handwerker im Haus. Wochenlang trabten wir also brav die Treppen auf und ab zum An- respektive Ausknipsen. Jeder, der frisch einzieht und behauptet, er habe alles fertig, lügt übrigens. Basta. Bei uns fehlt zur perfekten EIB-Anlage noch ein bisschen was. Wird aber wöchentlich besser. Das Chaos im Haus hat sich auf wundersame Weise auf ein Minimum reduziert. Herrlich.

Außerdem meuterte unser bislang so pflegeleichtes Kind nach unzähligen Wochen mit Schrauben, Packen und Auspacken. Nach dem Mammutumzug hatten wir endlich mal wieder Zeit für einen Besuch auf dem Spielplatz, im Wildgehege oder einen schnöden Stadtbummel. Irgendwann sagte der Thronfolger mit einem leisen Seufzer: „Wie schön ist es, dass in diesem neuen Haus endlich mal wieder jemand Zeit für mich hat.“ Ja, klar. Wir hatten ein schlechtes Gewissen. So ein Hausbau mag für die Bauherren Stress und Action pur sein, aber schließlich haben sie sich bewusst für dieses Elend und diesen Kampf entschieden und nehmen fürs Eigenheim jegliche Form von Freizeitentzug billigend in Kauf. Aber so ein kleiner Wurm kann nichts dafür – im Gegenteil. Letzten Endes muss er sogar seine gewohnte Umgebung verlassen, nur weil Mama und Papa Bob Baumeister spielen und gute Schwaben sind. Dementsprechend schlief Peter schlecht, träumte nachts von Räubern und legte allnächtens quer ins elterliche Bett. Aber mittlerweile haben wir auch das hinter uns. Als dann alles soweit wieder einigermaßen  bingo war, wurde dann Frau Kasi krank. Rücken, Gelenke, der ganze Körper schmerzte. Nachwehen einer schweren Hausgeburt, im wahrsten Sinne. Soviel zur Kurzfassung der letzten Monate. Aber jetzt geht es wieder aufwärts. Bis im Frühjahr der Rest-Garten dran ist.

Undank ist der Welt Lohn

„Komm“, sagte mein Mann heute morgen, „heute räumen wir die Speisekammer aus.“ Gute Idee – wir haben nur noch drei Wochenenden, bis wir die alte Wohnung vollständig geräumt haben müssen. Gesagt getan. Wir hatten allerdings die Füllmengen unserer Speis zur Gänze unterschätzt, denn neben Vorräten an Kidneybohnen, Essiggurken, Spagettis und Himbeermarmelade fanden wir diverse Putzutensilien, Pflanzendünger, Warmhaltekannen, Kuchenbleche, Backformen und Plätzchendosen. Während wir uns durch unsere Besitztümer wühlten und doch tatsächlich das eine oder andere aussortierten, hatte mein Mann eine fulminante Idee, wie er hängenderweise sämtliche alten Regale in der neuen Speis recyclen kann. Die neue, fulminante Idee war mir schlichtweg egal – mein erklärtes Ziel war es lediglich, Nudeln, Konserven und Knäckebrot bis zum frühen Abend fein säuberlich an Ort und Stelle zu haben. Aber ich persönlich verstehe auch nicht, warum man Garagen weißeln muss oder Kellerräume einen Laminatboden bekommen. Sieht ja doch keiner – es sei denn man feiert den Geburtstag im Keller oder lädt seine Gäste immer in die Garage ein. Habe ich aber alles nicht vor. Ich schätze, mein Mann würde es auch nicht gut finden, wenn wir Oma & Co. das nächste Mal zur Kaffeestunde in den heimischen Keller bitten würden. Egal wie schön er geweißelt ist. Von daher bin ich persönlich für Umgestaltungsideen wie Speisekammer-Regale wegen kompletter Ignoranz vermutlich einfach die falsche Ansprechpartnerin.

Beim Sohnkind indes war dies anders. Es zeigte sich von der Idee pflichtschuldigst und fast ohne Hintergedanken begeistert. Er brauchte seinen Gevater noch später für die Installation des neuen Freigeheges von Hase Oskar und Meersau Lilly, die bis dato mangels geeigneter Wohnstatt immer noch nicht umgezogen sind. Also bei Peter keine Spur von Berechnung. Die gute Laune wich auch nicht, als der Kasi-Mann urplötzlich wieder in die alte Wohnung müsste, weil er dringendst irgendwelche Trägerlatten und Schienen haben musste.

Zwei Stunden später war es mit der Begeisterung nicht mehr ganz so weit her. Sein Vater montierte immer noch Regalböden und Flaschenständer, dicke Schweißperlen auf der Stirn. „Weißt Du Peter“, hörte ich soeben meinen entkräfteten Mann murmeln, „ich kann nicht hexen. Aber die Regale hier haben noch zwei, drei Dübel nötig. Oder willst Du, dass die Spagetti herunterfallen?“ Nein, das wollte Peter selbstverständlich nicht. Allerdings isst er regelmäßig Nahrungsmittel, die mit dem Boden in Berührung gekommen waren (Lollis, Schokolade, angekaute Brezeln). Von daher konnte er die Tragweite dieser Androhung nicht so ganz für sich begreifen. Egal. Stundenlang dröhnten Geräusche wie an einer stark befahrenen Vekehrskreuzung durch unser neues Haus – unserem reich bestückten Werkzeugschatz sei Dank. Und das alles wegen ein paar Kidneybohnen. Gegen 16 Uhr die Erlösung. „Mama, wir verlassen jetzt die Küche“, hörte ich das Sohnkind jubilieren. Herrlich. Vermutlich bekommen Hase und Meersau jetzt noch einen echten Kirschholz-Parkettboden in ihr neues Heim. Und blütenweiße Wände. Vermutlich werden sie es mehr schätzen als Frau Kasi. Undank ist der Welt Lohn, was, Kasi-Mann? Trotzdem danke für die geschätzt 20 Regalböden in der Drei-Quadratmeter-Speisekammer.

Im Bermuda-Dreieck

Der Kasi-Mann behauptet stets ganz dreist, Dinge, die seine Frau, also ich, besonders gut aufgewahrt, würden nie wieder auftauchen. Leider hat er Recht. Und ganz leider hat sein Sohn diese Gabe von mir geerbt. Aktuell fehlen der Führerschein des Kasi-Manns, den ich nach einem Versicherungstermin extra gut versorgt habe. Zwei DVDs der Stadtbücherei sind mittlerweile wieder an Bord. Diese hatte das Sohnkind „extra wohin gelegt“. Das derzeit bei Familie Kasi herrschende Umzugschaos macht diese Umstände nicht leichter: „Ach, daaas suchst Du. Das is inner Kiste.“ Ach schön. Und bitte in welcher dieser gefühlten 2000 Kisten?

All das wirft wiederum eine neue, ungeklärte Frage meinerseits auf.  Warum kann man sich wochenweise mühelos im Chaos zurechfinden und scheitert dann erbärmlich, wenn man sich dann einmal dazu aufgerafft hat, tabula rasa zu machen? Ich für meinen Teil habe von meinem total chaotischen Rest-Schreibtisch mein total chaotisches Rest-Regal im Blick. Morgen werfe ich die ganzen alten Illustrierten raus. Versprochen. Wünschen Sie mir Glück.

Danke!

Dieser Beitrag ist all jenen gewidmet (vor allem Michael Landmann, er kennt  die Ludolfs PERSÖNLICH!), die sich in den vergangenen Wochen um unseren Baufortgang und unsere Gesundheit gesorgt haben. Danke, Michael! Es ist in der Tat soweit: Wir ziehen derzeit um. Trotzdem ein paar kurze Zeilen – bevor mein Büro in Kisten und Schachteln verschwindet. Unser Haus ist fertig. Es ist schön. Es gefällt uns. Aber wir wollen nicht mehr. Am liebsten würden wir die Koffer packen, das Kind in seinen Autositz schnallen, das Haus abriegeln und in Urlaub fahren. Aber so einfach geht das ja nicht. Es sei denn, es zieht jemand für uns um.

Wir sind also so weit fertig. Bis auf ein paar Feinheiten in der Elektroplanung und einen Streifen Laminat im Keller passt es soweit. Jetzt noch ein bisschen durchputzen, und fertig ist die Lauge. Sogar an der Außenanlage ist schon gearbeitet worden, so dass wir sauberen Fußes ins Haus gelangen können. Gründe genug also für holde Zufriedenheit. Und dennoch: Der Kasi-Mann und Kasi selbst sind so müde, dass sie beide das Gefühl haben, im Stehen schlafen zu können, wenn man sie nur ließe. Dass man alles dafür gäbe, statt regelmäßig vier auch mal wieder sieben oder sogar acht Stunden zu schlafen. Peter nächtigt regelmäßig auf einer Iso-Matte in seinem neuen Kinderzimmer, eingekuschelt in meinen Schlafsack. Zum Glück ist das Kind so unproblematisch. Meine Augenränder haben die gefühlte Breite von Autobahnen, und im letzten halben Jahr habe ich an eben jener Stelle drei Abdeckstifte verschmiert. Sonst reichen mir die Dinger immer anderthalb Jahre. Genug gejammert – Frau Kasi beendet im Büro noch ein paar Projekte und packt dann wieder Schachteln.  Das Foto vom Haus  liefere ich nach, versprochen.

Ungelöste Rätsel zum Thema Bauen

* Wo kommt all der Staub her? Vermutlich hat Frau Holle das Metier gewechselt und produziert statt Schnee jetzt Staub. Und dieser liegt in unserem neuen Haus. Egal wie oft man putzt.

* Wo kommen all die Holzreste her? Es ist egal, wie viele Holzbrettchen, Leisten, Eckkanten, etc. man forträumt: Am nächsten Tag sind genauso viele wieder da.Wer macht die?

* Wohin sind die zehn Messer verschwunden, die ich anfangs gekauft habe? Wir haben noch exakt eineinhalb. Eines ist noch da und schneidet vernünftig. Das andere ist noch da und schneidet nicht mehr. Alle anderen haben Beine bekommen.

* Warum fehlt immer gerade DIE Gebrauchsanleitung eines elektrischen Geräts, das in DEM Augenblick sehr wichtig ist? Aktuell ist es die vom Geschirrspüler.

* Warum kommen unglaublich viele Menschen auf Besuch? So nach dem Motto „Wir waren grad in der Nähe und dachten, wir besuchen Euch kurz? Freut Ihr Euch?“ Nun ja. Hier verhält es sich wie so oft mit Besuch. Mehr sei dazu nicht gesagt. Blöd ist allerdings, wenn jeder denkt, man hätte selbst Zeit für einen gemütlichen Kaffeeplausch. Hammwer nich. Sondern Baufrust, Bausteress und Bauüberdruss. Noch Fragen?

* Ja, ich weiß, dass es bei uns im oberen Stockwerk sehr warm ist. Aber ist es das derzeit nicht irgendwie überall?

Frau Dr. Vanish-Beckmann

Sie fragen sich sicher: Wohnt Familie Kasi schon in ihrem Neubau? Oder baut sie noch immer? Ja, sie baut noch (aber es geht zum Glück) dem Ende zu. Manchmal mit dem Haus, manchmal mit Familie Kasi. So ein Hausbau-Projekt müsste man jedem auferlegen, der bei einer Bausparkasse arbeitet und einem wohlmeinend schöne Prospekte von freundlich lachenden Familien im Eigenheim mitgibt. Die Wahrheit sieht anders aus. Ehrlich. Die Wahrheit versteckt sich unter Tonnen von Baustaub. Unter Sicherungen, die plötzlich rausfatzen. Unter vielen Kilogramm Kabel und Fugenmasse. Natürlich kommt manchmal auch der eine oder andere Streit hinzu. Bedenken Sie dies alles, bevor Sie einen Bauplatz kaufen. Und wenn Sie sich doch eine Wiese mit Bauoption zulegen, sagen Sie nicht, ich hätte Sie nicht gewarnt. Wir sind mittlerweile schon so weit, dass wir Böden putzen und Fenster schrubben. Dass wir uns mit Möbelkatalogen beschäftigen können und mit Vorhangstoffen. Dass wir nicht mehr frieren auf unserer Baustelle, weil unsere Heizung so toll arbeitet. Außerdem ist unser Haus schon gedämmt und gestrichen und sieht toll aus (finde ich). Mein Kind verwildert, weil es denkt, dass alle Kinder dieser Erde mit Wago-Klemmen und Kabel-Abisolierern spielen. Außerdem ist es immer dreckig. Immer. Mittlerweile kann ich mich als Flecken-Queen bezeichnen – quasi als Frau Dr. Vanish-Beckmann. Mein Mann findet nichts schlimmes daran, seinen Fünfjährigen jeden Abend aus einer Tonne Sand zu bergen.

Chaos gab es in den vergangenen Monaten fürwahr genug. Wasser, das da raus kam, wo es nicht sollte. Verschobene Termine. Arbeit und Tonnen voll Wäsche (wenn ein Kind sich dreckig macht, ist es selten nackig). Ich freu‘ mich auf den Einzug. Aber ehrlich: Das Ausmisten könnte mir ruhig einer abnehmen. Anfragen bitte hier an Ort und Stelle.

Ich freu mich auf den Einzug

Schon häufiger haben meine treuen Leser in letzter Zeit über meine liebe Familie gelesen. Meine Baustelle kam dabei allenfalls am Rande vor. Und dabei ist in der Vergangenheit sooo viel passiert. In aller Kürze.

* Wir haben jetzt eine Heizung. Das heißt, die Zeiten von drei Fleecepullis sind endgültig passé. Ganz super. Super. Super. Für mich alte Frostbeule.

* Wegen veränderter Wasseranschlüsse haben wir kurzfristig noch kein Klo. Wird schon. Das Sohnkind geht seither brav zu Hause.

* Wir haben Türen, Bodenbeläge, die Küche, Lampen und eine Treppe bestellt. Ach ja, eine superschöne Haustüre auch. Und es ist jetzt warm bei uns. Hab ich das schon erwähnt?

* Außerdem habe ich jetzt einen Garagenhof, auf dem ich parken kann. Die vielen Euro-Paletten sind weg.

* Leider hat sich einer unserer treuesten Bauhelfer, Peters geliebter Opa Schatz, das Knie gebrochen und fällt definitiv aus. GUTE, ach was, ALLERBESTE Besserung! Und das natürlich nicht nur aus Eigennutz, Opa Schatz.

* Ein Estrich ist jetzt auch drin. „Das ist jetzt gar keine echte Baustelle mehr“, jubilierte heute das Sohnkind, „sondern schon fast ein Haus“. Den Tipp des Heizungsfachmanns, sich flach auf den Boden zu legen (wegen der eigens von ihm installierten Fußbodenheizung) führte das Sohnkind nahtlos aus. Dummerweise ist der Estrich frisch abgeschliffen und ergo SEHR staubig. Das Kind danach auch.

* Die vielen Leerrohre sind nicht mehr überall sichtbar.

* Ich freu mich auf den Einzug.

* Meine Hochachtung vor meinem Mann, dem Ich-Organisiere-Alles-Ohne-Durchzudrehen-Markus, wird jeden Tag größer.

 Deshalb das! Er hat es sich verdient!

Was weg muss

Wir essen gemeinsam mit den liebsten Handwerkern unseres Vertrauens auf unserer Baustelle. Es gibt ein klassisches Familie-Kasi-Essen: Räubertopf. In den Räubertopf kommt für gewöhnlich alles, was verwertet werden sollte: Hackfleisch, Wurstrestchen, Möhren, Erbsen, Mais, Bohnen, Pilze. Dieses Mal sind ausnahmsweise KEINE Reste drin, sondern frische Möhren und Pilze und bestes Rinderhack. „Na, Peter, ist das Dein Lieblingsessen?“ wird der heftig essende Sohn gefragt. „Hmmmm…“, mümmelt Peter mit vollen Backen, „obwohl. Wir packen da ja eigentlich nur immer Reste rein. Also das, was weg muss oder abgelaufen ist“.