40 – bitte helfen Sie mir über die Straße

„Herzliche Einladung zum 40er Ausflug.“ Als ich die Einladung meiner Jahrgänger zu einem gemeinsamen Auflug im Briefkasten hatte, fuhr es mir durch Mark und Bein. Geschrieben sah mein runder Geburtstag, ganz in echt, noch viel älter aus. Ich fühlte mich, als hätte ich eine dieser scheußlichen Geburtstagskarten mit goldener 70 und Kränzchen drumrum erhalten, als hätte soeben der Ministerpräsident (oder wer auch immer) sein Kommen „bei der rüstigen Jubilarin“ angekündigt oder zumindest die Stadtverwaltung einen Geschenkkorb mit Klosterfrau Melissengeist und Tai-Ginseng geschickt. Was mir einen Schreck einjagte, war aber die Einladung wirklich netter Jahrgänger zu einer Bierprobe in geselliger Runde*.

Ich beschloss, das Alter künftig zu ignorieren und den 40. Geburtstag weit weg zu schieben – so wie früher ein Kleist-Referat oder eine Mathe-Arbeit über Wahrscheinlichkeitsrechnung. Oder sollte ich mir ein T-Shirt kaufen, auf dem steht: „Ich bin 40, bitte helfen Sie mir über die Straße?“ Ein destruktives Buch mit dem Titel: „40 Jahre – wenn das Beste schon hinter einem liegt?“ Oder womöglich ein Wandtattoo mit der Aufschrift „1974. Made in Germany.“ Sie glauben gar nicht, was der Internethandel für Schmankerl zum 40. Geburtstag bereit hält. Ich jedenfalls bin stolz auf mich. Ich bin angesichts dieses Ereignisses, das eine Schwäbin von Haus aus zu Gescheitheit verpflichtet, eher entspannt als depressiv. Ich habe mir keine neue Faltencreme gekauft (aber eine neue Haartönung, psst). Ich habe mich damit abgefunden, dass ich halt nicht mehr aussehe wie mit 15. Betrachte ich alte Fotos aus jener Zeit, bin ich sogar geneigt zu sagen: „Zum Glück.“ Ich brauche gefühlt fünf Stunden Schlaf pro Nacht mehr als einst, und wenn ich einmal am Samstagabend irgendwo „verhocke“, dauert es schätzungsweise bis Donnerstag, bis ich wieder auf Spur komme.

Aber das Alter hat ja auch durchaus seine guten Seiten. Ich kann dem Bo-Frost-Mann freundlich und bestimmt sagen, dass ich kein „Weinchen“ bei ihm kaufen will und auch kein Tiramisu. Früher hätte ich mir sicherlich wenigsten eine Tüte Prinzessbohnen für das schlechte Gewissen aufschwatzen lassen. Ich weiß, dass ich vieles im Leben nicht mehr brauche – manches hat man einfach schon gehabt, und es war nicht gut. Ich habe es schon einmal erwähnt, dass mir lila Haare nicht stehen. Und wenn ich am Samstagabend mit meinem Großen Harry Potter gucke, ist das Gefühl, dass Wochenende ist, ich auf dem Sofa liege und NICHTS verpasse, unbezahlbar. Ehrlich.

*PS: Der Ausflug war wirklich ein klasse tat, und es tat auch gar nicht weh, bei einem 40er Ausflug zu sein. Aber da war ich, ganz genau genommen, ja auch noch 39.

Ein Gedanke zu „40 – bitte helfen Sie mir über die Straße

  1. Liebe kasi! Willkommen im Club und nochmals alles, alles Gute! Deine alte Zimmernachbarin aus Berlin – auch Ü40 (schon lange) ;o)

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