„Kinder halten einem den Spiegel vor“, sagte mal ein schlauer Mensch zu mir, als mein Kind einen Tobsuchtsanfall hatte. Aha. Ich wusste Bescheid. Aber ehrlich, so oft denke ich, dass ich meinen Sohn nicht verleugnen kann – ganz ohne genetischen Fingerabdruck, DNA-Tests oder das ganze Zeug. Peter hat eine gewisse Ähnlichkeit mit mir, obwohl ich brünett bin und er blond. Er hat zum Beispiel meine Mundpartie geerbt. Die grünen Augen sind ganz klar die von seinem Papa. Von mir allerdings ist das feurige Temperament. Peter bohrt außerdem immer nach. Ein Nein verlangt immer Diskussionsbedarf. Außerdem hat er ständig das letzte Wort. Habe ich persönlich bis heute.
Manchmal macht mir das aber, ganz ehrlich, die Erziehungsarbeit ganz schön schwer. Peter ist beispielsweise sauer, weil er nicht raus darf. „Find ich sooo gemein.“ Soll ich dem Kind sagen, dass ich das an seiner Stelle auch fände? Dass ich früher bei ähnlichen Gelegenheiten genauso gemeckert habe? Hmmm… warum eigentlich nicht? Ich erkläre ihm ruhig und gefasst, dass ich ihn gut verstehen kann. Dass ich das an seiner Stelle genauso doof fände. Trotzdem gebe es jetzt aber gleich Mittagessen, und deshalb sei Garten tabu. Peter kriegt große Kulleraugen: „Echt Mama, Du verstehst mich?“ – „Klar“, sag‘ ich, „auf jeden Fall. Aber manchmal wissen Erwachsene halt etwas besser, weil sie schon viel länger auf der Welt sind.“ Erstaunlicherweise gibt sich der Thronfolger mit dieser Erklärung zufrieden. Und spielt Lego, bis es Essen gibt. Puh. Kuh vom Eis.
Oder Peter benutzt Formulierungen, die für irgendjemand in der Familie typisch sind (da merkt man immer genau, wer um ihn rum war). Kommt er von seiner einen Oma, sagt er gern „Herrgott Margot“, wenn ihm ein Missgeschick passiert. War er bei der anderen, kommt an gleicher Stelle ein fröhliches „Hoppla Thekla“. War er bei mir, enfährt ihm ein spontanes „Himmel… so ein… Mama, ich weiß, ich darf’s nicht sagen, es ist aber echt ein Scheiß“. Nun ja, manche Dinge sind halt auch einfach scheiße… was soll man da sagen? Oder er fährt gleich stärkere Geschütze auf und sagt mit eisigem Blick: „Darüber würd ich mit Dir gern noch sprechen.“ Das hat er – ganz klar – auch von mir gehört. Letztens gab er ein kleines Konzert mit Ärzte-Songs bei Lidl vor der Kühltruhe und sang „Radio brennt“. „Die Lieblingsmusik von meiner Mama“, erklärte er einem jungen Mann, der sich schlapp lachen wollte. Nun ja, immerhin wusste der Jüngling dann, dass Peters Mama für ihr Alter noch einigermaßen coole Mucke hört.