Frank-Walters bunte Puppenbühne

Mein Knöchel ist blau und dick. Wütend humple ich auf High Heels, weil ich direkt von einem Pressetermin komme, in die örtliche Ambulanz. Hmpf. Viel Arbeit. Viele Termine. Ein Hausbau. Nachdem uns unlängst eine üble Knieverletzung des Holden eine Zwangspause verordnet hat, bin offensichtlich jetzt ich an der Reihe mit Eisbeutel und Co. Vor der Klinik treffe ich einen alten Schulkameraden. Fröhlich fragt er, was ich denn hiiier mache? Nebenbei: Ich lahme wie Captain Cook. Bloß ohne Holzbein. „Ach“, antworte ich fröhlich, „ich will endlich den Rettungsfliegerschein absolvieren.“ Das glaubt er nicht und tippt scharfsinnig auf eine Fußverletzung am Fuß-Band. Tja, kommt der Sache schon näher, der Gute ist immer noch so pfiffich wie früher. Ausgiebig erzählt er mir von seiner jüngsten Fußball-Verletzung, mindestens achtfacher Bänderriss mit zehn Wochen Liegegips und schlechtem Krankenhausessen. Das ist jetzt so, befinde ich grummelnd, wie damals, als mir, hochschwanger und mit knapp 100 Zentimetern Bauchumfang, eine wohlmeinende Sportplatzbekanntschaft von ihrem Notkaiserschnitt beim vierten Kind erzählt hat. Ich verabschiede mich schnell. Wer braucht sowas? Richtig. Niemand. Vor allem ich nicht. Hoffentlich krieg‘ ich den Fuß wieder aus dem Stiefel.

In der Notambulanz läuft wahlkampftechnisch die Glotze. Frank-Walter Steinmeier schwört mit leidenschaftlicher Stimme die Genossen ein: „WIR. HABEN. AUFGEHOLT.“ Ein älterer Herr schaltet sein Hörgerät aus. „Dat der Sozi auch immer so brüllen muss“, schreit er seinem Platznachbarn ins Ohr. Der nickt. Dann kommt Merkel. Mit Pagenschnitt und Kostüm wie immer. Die wiederum ist beiden Herren nicht schick genug: „Die sieht aus wie Mutti.“ Mittlerweile trifft Chantalle-Vivienne mit ihren Eltern ein. Et Schantall ist auf den Arm gefallen. Zum Beweis dafür winkt sie mir fröhlich zu. Die Schwester unterbricht den Redeschwar von der Schantall-Mutter rigide: „Nehmen Sie einfach Platz. Sie werden dann aufgerufen: „Dat die hier auch immer so unfreundlich sind. Unglaublich.“ Ich bin mittlerweile beim zweiten Automaten-Capuccino. Schade, dass es hier kein Bier gibt. Ich könnte eins gebrauchen. „GENOSSEN“, brüllt Steinmeier. „ES. GIBT. EIN. MORGEN.“ Ja. Aber hoffentlich nicht hier.

Beim Röntgen treffe ich die Schantall-Familie wieder. Ich bin jedoch schnell an der Reihe, die Schwester spannt mein malades Fußgelenk in eine Art Schraubstock, um die Bänder zu röntgen. Das spüre ich durchaus. „Isch es a bissle unangenehm?“, erkundigt sich die Röntgen-Fachfrau und schraubt weiter. Vermutlich peitscht sie zu Hause ihren Mann aus: „Tut das auch wirklich weh?“ Ich halte die Luft an. Die Bilder ergeben, dass der Fuß ordentlich geprellt ist und dick geschwollen. Ach ja wirklich? Ich soll kühlen und Voltaren drauf schmieren. Nun ja. Aber ich habe viele spannende Menschen kennengelernt und bin froh, dass ich ohne Liegegips und Krankenhaus-Essen wieder heim darf. Dort angekommen, stelle ich fest, dass ich die zehn Euro Notfall-Praxisgebühr vergessen habe. Die soll morgen mein Mann vorbei bringen. Man weiß ja nie. Wegen Frank-Walters bunter Puppenbühne.

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