Peter würde ohne regulativen Eingriff von oben, also von mir, tagelang am Computer sitzen. Er weiß, was ein Browser ist, er kennt GMX und Photoshop und liebt die Website der Toten Hosen. Niemand braucht mir an dieser Stelle einen Vortrag über Medieneinflüsse auf einen Siebenjährigen halten – vielen Dank. Aber erstens bekommt Peter es bei seinen Eltern mit, was es für eine berufliche Tragödie es ist, wenn im Büro ein Tag lang das Internet ausfällt. Und zweitens hat sich der Sohn schon immer für diverse technische Spielereien interessiert. Deshalb hat jeder PC im Haus ein Kennwort und das Internet eine Kindersicherung wie einst die Tür an der Rückbank des familieneigenen Opel-Blitz‘.
Aufgrund des großen Medieninteresses des Thronfolgers, das der Gatte und ich mit Sorge betrachten, gibt es im Hause Kasi neuerdings etwas, das „Medienzeit“ heißt. Medienzeit für den Junior bedeutet, dass sich der junge Herr ein bestimmtes Zeitkontingent selbst einteilen darf (wobei PC dabei sicherlich nicht jeden Tag stattfinden darf). Medienzeit heißt, Mahjongg auf dem Iphone zu spielen, Fernsehen zu schauen oder zum 144. Mal „Wickie und die starken Männer“ auf DVD. Medienzeit heißt aber auch ab und zu, eins der mitgelieferten Windowsspiele aufzurufen. Ich weiß nicht einmal, wie es heißt. Es geht auf jeden Fall darum, Kuchen und Torten mit Schoko-, Himbeer- und Vanillguss zu überziehen und dann möglichst schnell in Kartons zu packen. Seelisch grausam ist so etwas allenfalls für Menschen über 12. Ich brauche nicht zu betonen, dass ich üblicherweise anwesend bin, wenn sich der Sohn an den Rechner setzt.
Dummerweise klingelte unlängst allerdings das Telefon, während Peter fünf Minuten digitale Schokokuchen verpacken durfte. Ich rannte hoch, nahm ab, fest entschlossen, den Anrufer gleich wieder aus der Leitung zu verbannen. Doch wie so oft, wenn man das will, dauerte es halt länger. Nach dem Telefonat brüllte ich einen Stock tiefer: „Peter! Abendessen…“ und wies den Gatten an, das Rechnerwesen im Büro auszuschalten. Alles soweit okay. Bis dann das Essen kam. Folgender Dialog.
Peter (mümmelt an einem Stück Dosenlyoner): „Papa, ich hab‘ mir jetzt endlich einen GMX-Account eingerichtet. Mit Chat-Funktion.“
Herr Kasi (wird bleich): „?????“
Peter (hat endlich geschluckt): „Ein Passwort habe ich auch. Ich hab’s aufgeschrieben auf den Ausdruck.“
Herr Kasi (mit entgleisten Gesichtszügen): „!!!!!“
Peter: „Weißt Du, da kann ich vielleicht vom Desktop aus chatten… hab’s noch nicht probiert…. Aber dem Opa hab‘ ich gleich eine Mail geschrieben und ein Foto von nem Quad angehängt. Denk‘ mal, der Michael nimmt mich mit… der hat jetzt eins….“
Herr Kasi (mit feuerrotem Gesicht): „?????!!!!!“
Frau Kasi (leicht hektisch): „Peter, bist Du noch hungrig? Schau, ganz frisches Brot….“
Peter: „Nö. Was denkst Du, darf ich rein rechtlich ein Bild vom Campino als Avatar nehmen? Das ist doch bestimmt verboten, oder?“
Frau Kasi (immer hektischer): „Peter, schau, ganz frisches Brot….“
Herr Kasi (hat sich wieder gefangen): „SAGT MAL, WAS MACHT IHR, WENN ICH WEG BIN?“
Als sich Peter verzogen hat – es gibt ja heute kein Fernsehen, weil die Medienzeit aufgebraucht ist – beschließen Herr und Frau Kasi, NIE MEHR den Raum zu verlassen, wenn Peter mit einem technischen Gerät alleine ist. Und sei es nur der Reisewecker, der ständig vorgeht. Was uns allerdings leider unklar blieb: Woher Peter sein profundes Fachwissen hat. Wir werden mal nachhaken.
PS: Neue Begebenheit. Peter muss für die Schule einen kurzen, netten Text mit Marsraketen lesen. Er hat keine Lust dazu: „Darf ich danach DAS lesen, was MICH interessiert.“ Ich nicke gedankenverloren. Warum auch nicht? Peter liest die Marsraketen in Rekordschnelle. Danach ruft er mir: „Wo hast Du die Beschreibung vom Buchhaltungsprogramm? Ich möchte wissen, wie man das Designer-Modul integriert.“
Klasse – musste mal wieder herziich lachen 🙂
Gruß
Michael
von mir weiß er das nicht… ehrlich. Grüße Ingo