Schon häufiger habe ich über meine große Liebe zum VfB Stuttgart gebloggt. Und darüber, welchen Kummer sie manchmal mit sich bringt und welche potenzielle Leidensfähigkeit sie voraussetzt. Heute nähere ich mich dem Thema einmal von einer ganz anderen Seite: und das ist die Sache mit dem Aberglauben, und das hat gar nichts mit schwarzen Katzen, zerbrochenen Spiegeln oder Schornsteinfegern zu tun.
Denn Fußballfans – und Kicker – sind häufig sehr abergläubische Menschen. Als mein Gatte noch aktiver Kicker war (also öfter als einmal im Monat den Rasen betrat), zog er vor den Spielen die Stutzen inmmer in der gleichen Reihenfolge an. Erst rechts. Dann links. Gleiches Prozedere bei den Schuhen. Erst wurde rechts gebunden, und dann links. Als er selbst A-Jugend-Trainer war, aßen seine Jungs vor den Spielen immer Schoko-Erdnüsse, die er stets in einer hohen Dose in seiner Sporttasche aufwahrte und deren Füllmenge er samstags sorgfältig kontrollierte. Einmal hatten die Jungs nach dem Genuss solcher Schoko-Nüsse überragend gewonnen… Deshalb blieben die Nüsse auf Monate Teil eines diskutierfähigen Spielvorbereitungs-Konzepts, und vermutlich halten wir bis heute Anteile an der verantwortlichen Schoko-Nuss-Firma. Ganz nach dem Motto: „Never change a running system.“ Verstehen Sie doch, oder?
Wenn wir also ins Stadion fahren, überlegen wir immer, wie die letzte Partie war und was wir angehabt hatten. Roter, weißer oder schwarzer Dress? Welche Mütze? Was drunter? Daraufhin wird dann die aktuelle Garderobe abgestimmt. Mit leichtem Ekel erinnere ich mich an ein rotes VfB-Polo, dass ich 2007 – bis zum Meistertitel – wochenlang aus Aberglauben nicht mehr waschen konnte… Was willste machen? Aus der Nummer wäre ich ja nie mehr rausgekommen. Kennen Sie die lange und traurige Geschichte von Onkel Herbert? Onkel Herbert ist der Onkel von Kabarettist Frank Goosen. Er und eine fiese Darmgrippe tragen dem Vernehmen nach Schuld, dass Schalke einst nur Meister der Herzen wurde und nicht echter Meister… Aber das ist eine andere Geschichte, die Onkel Herbert mit sich ausmachen muss.
Am Samstag erlebten wir vor dem 4:5-Auswärtssieg in Frankfurt, den wir bibbernd vor dem Fernseher verfolgten, gefühlsmäßig eine echte Achterbahnfahrt. Dabei begann alles ganz ideal. Sohn 1 und ich schauten Fußball. Der VfB führte überraschend 1:3. Komfortabel und vergleichsweise deutlich. Weil wir als VfB-Fans allerhand gewöhnt sind, waren Sohn 1 und ich nicht wirklich gelassen. Exakt in dem Augenblick, als Frankfurt den 2:3-Anschlusstreffer landete, fuhr Herr Kasi bedauerlicherweise sein Auto in den Garagenhof. Sohn 1, angespannt wie eine Gitarrensaite, rannte zum Fenster und schrie seinem verdatterten Erziehungsberechtigten entgegen: „Hast Du nicht noch was zu erledigen? Du bringst Unglück!“ Herr Kasi maulte zurück und räumte noch in der Garage herum. Frankfurt glich aus: 3:3. Gab es sowas? Peter, kreideweiß. Wieder schreiend am Fenster: „FAHR‘ VOM HOF! FAHR‘ VOM HOF! BESUCH‘ OMA! Mit Dir wird das heute nix!“ Herr Kasi verzog sich schimpfend unter die Dusche, immer noch leicht verdattert. Vermutlich dachte er aber an seinen eigenen Aberglauben. Das Unfassbare geschah. Frankfurt ging in Führung. 4:3. Peter raste vom Bezahl-TV nach oben ins Bad, Wuttränen in den Augenwinkeln: „DU BIST SCHULD!!! Diesen Dreier hast DU geopfert!“ Der Rest seines Satzes, der sich irgendwie nach: „Wir haben doch geführt…“ und „So ein Sch….“ anhörte, ging in einer nicht ganz jugendfreien Schimpftirade unter.
Herr Kasi bewahrte, ich war so stolz auf ihn, die Haltung: Sohn 1 hat diesen Ausbruch überlebt. Das lag vermutlich daran, dass der Verein unserer uneingeschränkten Zuneigung die Partie abermals drehte und noch 5:4 gewann. Jetzt muss der Gatte halt samstagmittags zur besten Fußballzeit immer duschen, der Ärmste. Was willste machen.
PS: Sohn 1 hat sich bei seinem Vater selbstverständlich entschuldigt.