Undank ist der Welt Lohn

„Komm“, sagte mein Mann heute morgen, „heute räumen wir die Speisekammer aus.“ Gute Idee – wir haben nur noch drei Wochenenden, bis wir die alte Wohnung vollständig geräumt haben müssen. Gesagt getan. Wir hatten allerdings die Füllmengen unserer Speis zur Gänze unterschätzt, denn neben Vorräten an Kidneybohnen, Essiggurken, Spagettis und Himbeermarmelade fanden wir diverse Putzutensilien, Pflanzendünger, Warmhaltekannen, Kuchenbleche, Backformen und Plätzchendosen. Während wir uns durch unsere Besitztümer wühlten und doch tatsächlich das eine oder andere aussortierten, hatte mein Mann eine fulminante Idee, wie er hängenderweise sämtliche alten Regale in der neuen Speis recyclen kann. Die neue, fulminante Idee war mir schlichtweg egal – mein erklärtes Ziel war es lediglich, Nudeln, Konserven und Knäckebrot bis zum frühen Abend fein säuberlich an Ort und Stelle zu haben. Aber ich persönlich verstehe auch nicht, warum man Garagen weißeln muss oder Kellerräume einen Laminatboden bekommen. Sieht ja doch keiner – es sei denn man feiert den Geburtstag im Keller oder lädt seine Gäste immer in die Garage ein. Habe ich aber alles nicht vor. Ich schätze, mein Mann würde es auch nicht gut finden, wenn wir Oma & Co. das nächste Mal zur Kaffeestunde in den heimischen Keller bitten würden. Egal wie schön er geweißelt ist. Von daher bin ich persönlich für Umgestaltungsideen wie Speisekammer-Regale wegen kompletter Ignoranz vermutlich einfach die falsche Ansprechpartnerin.

Beim Sohnkind indes war dies anders. Es zeigte sich von der Idee pflichtschuldigst und fast ohne Hintergedanken begeistert. Er brauchte seinen Gevater noch später für die Installation des neuen Freigeheges von Hase Oskar und Meersau Lilly, die bis dato mangels geeigneter Wohnstatt immer noch nicht umgezogen sind. Also bei Peter keine Spur von Berechnung. Die gute Laune wich auch nicht, als der Kasi-Mann urplötzlich wieder in die alte Wohnung müsste, weil er dringendst irgendwelche Trägerlatten und Schienen haben musste.

Zwei Stunden später war es mit der Begeisterung nicht mehr ganz so weit her. Sein Vater montierte immer noch Regalböden und Flaschenständer, dicke Schweißperlen auf der Stirn. „Weißt Du Peter“, hörte ich soeben meinen entkräfteten Mann murmeln, „ich kann nicht hexen. Aber die Regale hier haben noch zwei, drei Dübel nötig. Oder willst Du, dass die Spagetti herunterfallen?“ Nein, das wollte Peter selbstverständlich nicht. Allerdings isst er regelmäßig Nahrungsmittel, die mit dem Boden in Berührung gekommen waren (Lollis, Schokolade, angekaute Brezeln). Von daher konnte er die Tragweite dieser Androhung nicht so ganz für sich begreifen. Egal. Stundenlang dröhnten Geräusche wie an einer stark befahrenen Vekehrskreuzung durch unser neues Haus – unserem reich bestückten Werkzeugschatz sei Dank. Und das alles wegen ein paar Kidneybohnen. Gegen 16 Uhr die Erlösung. „Mama, wir verlassen jetzt die Küche“, hörte ich das Sohnkind jubilieren. Herrlich. Vermutlich bekommen Hase und Meersau jetzt noch einen echten Kirschholz-Parkettboden in ihr neues Heim. Und blütenweiße Wände. Vermutlich werden sie es mehr schätzen als Frau Kasi. Undank ist der Welt Lohn, was, Kasi-Mann? Trotzdem danke für die geschätzt 20 Regalböden in der Drei-Quadratmeter-Speisekammer.

Danke!

Dieser Beitrag ist all jenen gewidmet (vor allem Michael Landmann, er kennt  die Ludolfs PERSÖNLICH!), die sich in den vergangenen Wochen um unseren Baufortgang und unsere Gesundheit gesorgt haben. Danke, Michael! Es ist in der Tat soweit: Wir ziehen derzeit um. Trotzdem ein paar kurze Zeilen – bevor mein Büro in Kisten und Schachteln verschwindet. Unser Haus ist fertig. Es ist schön. Es gefällt uns. Aber wir wollen nicht mehr. Am liebsten würden wir die Koffer packen, das Kind in seinen Autositz schnallen, das Haus abriegeln und in Urlaub fahren. Aber so einfach geht das ja nicht. Es sei denn, es zieht jemand für uns um.

Wir sind also so weit fertig. Bis auf ein paar Feinheiten in der Elektroplanung und einen Streifen Laminat im Keller passt es soweit. Jetzt noch ein bisschen durchputzen, und fertig ist die Lauge. Sogar an der Außenanlage ist schon gearbeitet worden, so dass wir sauberen Fußes ins Haus gelangen können. Gründe genug also für holde Zufriedenheit. Und dennoch: Der Kasi-Mann und Kasi selbst sind so müde, dass sie beide das Gefühl haben, im Stehen schlafen zu können, wenn man sie nur ließe. Dass man alles dafür gäbe, statt regelmäßig vier auch mal wieder sieben oder sogar acht Stunden zu schlafen. Peter nächtigt regelmäßig auf einer Iso-Matte in seinem neuen Kinderzimmer, eingekuschelt in meinen Schlafsack. Zum Glück ist das Kind so unproblematisch. Meine Augenränder haben die gefühlte Breite von Autobahnen, und im letzten halben Jahr habe ich an eben jener Stelle drei Abdeckstifte verschmiert. Sonst reichen mir die Dinger immer anderthalb Jahre. Genug gejammert – Frau Kasi beendet im Büro noch ein paar Projekte und packt dann wieder Schachteln.  Das Foto vom Haus  liefere ich nach, versprochen.