„Du hast es schön. Dein Büro ist direkt im Haus. Du musst nirgendwo hinfahren bei Schnee und Eis.“ Nun ja, bei grober Betrachtungsweise kommt das einigermaßen hin. Ganz stimmt das mit dem „Nirgendwo-hin-Fahren“ natürlich nicht, als Journalistin muss man meistens erst einmal auf Termin gehen, eine Pressekonferenz besuchen oder in einem Gemeinderat sitzen, um überhaupt etwas schreiben zu können. Doch wenn ich unterwegs bin, liegen die meistens auf dem heimischen Sofa; wenn ich heim komme, sind viele schon im Bett. Aber was soll’s: Es stimmt. Mein Büro liegt in der Tat mitten in unserem Wohnhaus. Aber wissen Sie was? Ich beneide jeden, der auswärts muss zur Arbeit. Sie merken, ich bin frustriert. Es ist Sonntagmittag, ich hätte gern noch ein Stündchen gearbeitet, und wie es der Teufel will, sitzen meine Lieben alle in meinem Reich um mich herum und denken nicht daran, kurzzeitig mal zu weichen. Ich will hier raus – und wissen Sie warum? Das hat viele Gründe! Erstens. Man ist nicht rund um die Uhr erreichbar. Wie oft habe ich schon am Samstag mittags einem hektischen Anrufer freundlich aber bestimmt erklärt, dass ich jetzt NICHT zur Bachputzete komme? „Wo Se doch scho grad dohoim send…“ Außerdem komme ich auch an einem freien Wochenende stets der Versuchung nach, meine Emails zu lesen – was total doof ist und mir schon so machen Freizeitplan zunichte gemacht hat. Außerdem: Hat man sein Büro zu Hause, denkt jeder Nachbar, Mitbürger, etc.: Die ist ja den ganzen Tag daheim – da kann ja nichts geschafft sein. Ständig klingelt es bei mir, selbst der Paketmann babbelt mich ständig unter der Tür fest: „Haben Se Fußball gesehen? Im Aufwind, die Schwaben.“ Finde ich GROSSARTIG, will ich schreien, reden wir nach 19 Uhr darüber. Aber da hat der gute Herr ja Feierabend. Und jeder, der kurz bei meinem Mann vorbeischaut, kommt rauf zu mir. Sagen Sie mal ehrlich: Denken Sie, dass würden die auch tun, wenn ich eine gynäkologische Praxis hätte? Ohne zu klopfen den Kopf zur Tür reinzustrecken? Wohl kaum. Ich schätze, da hätten schon die Patientinnen etwas dagegen. Zudem: Aus meinem wohl sortierten Arbeitszimmer verschwinden stetig Tesa, Scheren, ja, sogar ganze Festplatten und Laufwerke, die meine beiden rührigen Männer irgendwo hin räumen. Letztens war sogar mein Pocket-PC weg! Peter wollte mal seine Termine nachschauen – mit dreieinhalb Jahren! Und nicht selten passiert es, dass ich nachts müde und kaputt von einem Termin heim komme, kurz noch Bilder reinladen will, und mein Arbeitsplatz von meinem Gatten besetzt ist, der nach Ebay-Schnäppchen surft oder Bundesliga-Statistiken vergleicht! „Das ist mein Zimmer“, will ich dann schreien, „raus hier! Ich gehe jetzt auch nicht in Deine Firma und esse Deine ganzen Doppelkekse!“ Um den Familienfrieden nicht zu gefährend, bin ich freundlich. Grrr… Klar, es ist geschickt, ohne Babysitter auszukommen, weil man für das Kind ja auch dann da ist, wenn man noch kurz was fertig stellen muss oder noch ein zügiges Telefonat hinter sich zu bringen hat. Die andere Seite der Medaille ist allerdings die, dass Peter mich dann hundertmal besucht, CDs eingeschaltet haben möchte, dringend mal aufs Klo muss, oder das Telefon anschleppt, das ich gerade habe – ausnahmsweise – mal klingeln lassen, um mit meinem Text überhaupt noch fertig zu werden. Jetzt gerade hat er den Telefonhörer in seiner Kinderküche versenkt und kriegt ihn nicht mehr raus. Wissen Sie was? Ich schreibe am liebsten zwischen 23 Uhr und 3 Uhr morgens. Da schlafen alle. Und morgens, wenn alle wieder wach sind, bin ich mit meinem Zeug fertig. Jetzt ist mein Zimmer übrigens leer. Also, tschüss. Ich muss die Gunst der Stunde nutzen! My home is my castle!