So was von entspannt

Mühevoll zerrt meine Yogi an meinem verspannten Kreuz. „Du bist soo verspannt. Lass‘  los und entspann‘ Dich. Was soll ich bloß mit Dir machen?“ Ich und verspannt? Kann nicht sein. Wenn Sie wüsste, was ich am hellen Morgen schon hinter mir habe, verstünde sie mich vielleicht auch besser. Also von vorn. Sechs Uhr aufstehen. Peter kommt schlecht gelaunt ins Bad. Mein Mann blockiert derweil schon stundenlang die Dusche, bis sie aussieht wie ein Dampfbad: „Du magst es doch, wenn ich mich pflege.“ Ich will mich aber auch waschen, wenn ein neuer Tag anbricht. Warte geduldig. Ziehe derweil den unausgeschlafenen Thronfolger an. Der findet blaue Pullis mit Ernis und Berts doof. Will lieber noch einmal sein EM-Fußball-Shirt tragen, auf dem passenderweise „Toor, Toor, i werd‘ narrisch…“ steht. Als dann alle außer mir gerichtet sind, bleiben mir noch exakt zehn Minuten im Bad – bis zum Frühstück. Also Hetze. Als ich nach unten komme, herrscht dort schon Krieg. Peter ärgert sich, dass seine Lieblings-Frühstück-Brötchen alle sind: „Mönsch, hättest Du halt mal neue kaufen sollen.“ Peter isst also Brei. Wutausbruch, weil Markus gleich umgerührt hat. Morgens sieben Uhr. Ein Geschrei wie auf dem Jahrmarkt. Ich sehne mich in meine Zwei-Zimmer-Wohnung einst als Single zurück. Die ruhige Einsamkeit der Morgenstunden. Kaffee ohne Brüllzulage. Dafür mit einer gepflegten Zeitungslektüre. Der Junior beruhigt sich nicht, brüllt, stampft, sein kleines Gesichtchen ist zur Grimasse verzogen, Tränen kullern wie aus Sturzbächen, laut schimpfend stößt er Verwünschungen in Richtung Erzeuger aus: „Wenn ich mal groß bin…“ Vor lauter Schreien wirft er sein Glas rotes (!) Saftschorle um, das gepflegt die weiße Raufaser herunterläuft. Ruhig und gefasst (ehrlich!) schicke ich ihn nach oben in sein Zimmer. Putze auf. Wenigstens mein Marmeladebrot will ich jetzt in Ruhe essen. Und ENDLICH einen Kaffee haben! Der Kleine trollt sich widerwillig und kündigt an, zu seinen Omas zu ziehen. Oder zur Nachbarin. Biete ihm an, den Koffer zu packen. Als die Tür ins Schloss fällt, sagt mein Mann mit dem Katja-ich-mag-dich-nicht-wenn-Du-schimpfst-Blick: „Ach komm, war das jetzt nicht ein bisschen hart?“ Und stößt dabei seinen Frühstückstee um. Wundert sich da jemand, dass ich unentspannt bin? Aber all das wollte ich der Yoga-Fachfrau während zwei Übungen nicht zumuten. Ich atme, und ich bin entspannt… so was von entspannt… Peter singt „Immer wieder VfB“. Na dann Olé.

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