Mein großer Tag. Tote-Hosen-Konzert in Ludwigsburg. Seit Wochen bin ich aufgeregt, seit ich ein Schulkind war, Tote-Hosen-Fan. Ich kenne Campinos Biografie besser als meine eigene. Ich kann jeden Text auswendig hersingen. Ich mag die Typen einfach riesig gerne. Die Doku-DVD „Friss oder stirb“ habe ich geschätzte 1000 Mal gesehen, genauso die anderen Konzert-DVDs. Ich habe sogar noch Hosen-Videos aus frühester Urzeit. Und jetzt – jetzt fahre ich also wieder einmal zu einem Live-Konzert.
Dummerweise ist die Woche davor Chaos. Viel Arbeit. Viele Termine. Kaum Schlaf, keine Zeit zum Essen. Nur Hetze. Baustress. Ich habe mein Leben gründlich satt. Am Freitagmittag brechen wir trotzdem auf. Wie früher mit Schlafsack, Kulturbeutel, Reserveklamotten, frischen Schuhen. Ich setze meine Festkappe auf – und gut. Müde bin ich trotz Hosen-Klamotten immer noch. Macht nichts. Gatte Liebreiz tröstet mich: „Du schläfst einfach im Auto ein bisschen.“ Gut 30 Minuten klappt alles bestens. Ich döse vor mich hin. Werde wach, weil der Holde Schlangenlinien fährt – vor Müdigkeit. Er schlägt eine Rast auf einem Parkplatz vor. Für ein Nickerchen. Pause? Iwo. Nachher verpasse ich noch meine Hosen. Geht gar nicht. Also klemme ich mich selbst hinters Steuer. Souverän düse ich über die Autobahn Alex, Johnny Thunders, Bonnie und Clyde entgegen. Mein Mann schläft nicht. Er gibt mir Fahrunterricht. Ich fahre noch was schneller. Pah.
In Ludwigsburg angekommen, kann ich mich des Eindrucks nicht erwehren, dass das Schöne-Barock-Städtchen erschlagen ist vom Punkrock. Die Menschen schauen skeptisch auf uns. Hurra, da gibt es sogar noch ein paar ganz bunte Punks mit Stacheln und liebevoll gebürsteten Irokesen-Igeln auf dem Kopf. Sie gewinnen gar keine Fans. Das Festivalgelände erreichen wir problemlos. Mittag gegessen haben wir immer noch nicht. Wegen meiner geliebten Laktose-Intoleranz gibt es für mich trockene Brötchen. Lecker.
Das Konzert beginnt. Von Beginn an super Stimmung. Mein Mann steht vorsichtig an seinem Zaun, wir sehen gut. Neue Songs, alte Lieder, klasse. Ich hopse und singe und schreie. Ich hab schließlich bezahlt. Plötzlich wird der Pressegraben geräumt. Die Herren und Damen Journalisten müssen zum Aktualisieren in ihre Redaktionen. Glück vor die Fans: Ein paar wenige dürfen in den Luxus-Bereich direkt vor der Bühne. Ich gehe stiften. Muss ja wenigstens mal gucken. Das Gatter schließt sich wieder. Ich und ein erlesenes Grüppchen stehen in einem nahezu leeren Graben direkt vor der Bühne. Aug‘ in Aug‘ mit Campino, Andi und Co. Ich kneife mich gleich dreimal in den rechten Oberarm. Davon träume ich, seit ich denken kann. Das Konzert ist fantastisch. Meine Stimme schwindet. Wer braucht schon eine? Irgendwann singt Campino „Walk on“. Und ich kehre zurück. Zu meinem Mann an dem Zaun. Er schimpft nicht, guckt bloß etwas skeptisch auf meine wankende Gestalt. Ich erkläre wortreich, wo ich war. Er fragt: „Fühlst Du Dich gut.“ – „Ach, mein Kreislauf war schon besser. Ich trink gleich was.“ Wir setzen uns in Bewegung Richtung Ausgang. Inmitten der ganzen Fanherde merke ich plötzlich, dass mein maroder Kreislauf Faxen macht. Ich wanke zur Sicherheit in Richtung eines benachbarten Bauzauns, weil ich nicht unbedingt in den Massen umkippen will. Das erledige ich dann gepflegt am Zaun. Nicht allerdings ohne vorher freundlich anzukündigen: „Mir nimmt’s grad die Knie weg.“ Ich liege auf warmem Asphalt. Ein netter junger Mann will einen Sani holen. Mein Mann: „Ach, die kommt wieder zu sich. Wir legen einfach mal die Beine hoch.“ Ich liege immer noch. Der junge Mann bleibt hartnäckig: „Ich hole jetzt doch einen Sani.“ Gesagt, getan. Die DRK-ler rücken mit einer Trage an. Über die vielen hundert Fans, die Richtung Auto strömen, werde ich in Richtung DRK-Garage gebracht. „Scheiß Drogen“, meckert eine freche Teenager-Gruppe. Zwischen einer Alkohol-Leiche und einem jungen Mann mit lädierten Beinen werde ich hingebettet. Kriege Wasser. Und wieder trockene Brötchen. Mein Mann schämt sich. Er im DRK-Zelt beim Hosen-Konzert. Ich erkläre ihm, dass ich Leute kenne, die schon bei Roberto Blanco in Ohnmacht gefallen sind. Und ich das peinlicher finde. Die Schimpf-Tirade setzt sich fort: „Weißt Du, wie alt Du bist? Wie unvernünftig? Wie kann man so bescheuert sein? Nach ganz vorn zu gehen?“ Ich liege, fühle mich grün und flau. Und sage ihm: „Ich bin 34. Und ich würde es SOFORT wieder tun.“
Hallo Kasi,
lass deinen mann reden – das entscheidene ist doch – DAS konzert war wieder mal super geil. und warum nicht in der ersten reihe stehn – ich stand doch auch in der ersten reihe und bin bereits 45 jahre jung. es wollen nicht nur die jungen in der ersten reihe stehn und das konzert der hosen sooooooooooooo richtig schön live aus erster hand erleben. ich kann dich verstehen und ich sage dir – ich würd es SOFORT wieder tun.