Frau Dr. Vanish-Beckmann

Sie fragen sich sicher: Wohnt Familie Kasi schon in ihrem Neubau? Oder baut sie noch immer? Ja, sie baut noch (aber es geht zum Glück) dem Ende zu. Manchmal mit dem Haus, manchmal mit Familie Kasi. So ein Hausbau-Projekt müsste man jedem auferlegen, der bei einer Bausparkasse arbeitet und einem wohlmeinend schöne Prospekte von freundlich lachenden Familien im Eigenheim mitgibt. Die Wahrheit sieht anders aus. Ehrlich. Die Wahrheit versteckt sich unter Tonnen von Baustaub. Unter Sicherungen, die plötzlich rausfatzen. Unter vielen Kilogramm Kabel und Fugenmasse. Natürlich kommt manchmal auch der eine oder andere Streit hinzu. Bedenken Sie dies alles, bevor Sie einen Bauplatz kaufen. Und wenn Sie sich doch eine Wiese mit Bauoption zulegen, sagen Sie nicht, ich hätte Sie nicht gewarnt. Wir sind mittlerweile schon so weit, dass wir Böden putzen und Fenster schrubben. Dass wir uns mit Möbelkatalogen beschäftigen können und mit Vorhangstoffen. Dass wir nicht mehr frieren auf unserer Baustelle, weil unsere Heizung so toll arbeitet. Außerdem ist unser Haus schon gedämmt und gestrichen und sieht toll aus (finde ich). Mein Kind verwildert, weil es denkt, dass alle Kinder dieser Erde mit Wago-Klemmen und Kabel-Abisolierern spielen. Außerdem ist es immer dreckig. Immer. Mittlerweile kann ich mich als Flecken-Queen bezeichnen – quasi als Frau Dr. Vanish-Beckmann. Mein Mann findet nichts schlimmes daran, seinen Fünfjährigen jeden Abend aus einer Tonne Sand zu bergen.

Chaos gab es in den vergangenen Monaten fürwahr genug. Wasser, das da raus kam, wo es nicht sollte. Verschobene Termine. Arbeit und Tonnen voll Wäsche (wenn ein Kind sich dreckig macht, ist es selten nackig). Ich freu‘ mich auf den Einzug. Aber ehrlich: Das Ausmisten könnte mir ruhig einer abnehmen. Anfragen bitte hier an Ort und Stelle.

Verkabelte Beziehungsprobleme

Einkaufen für den Bau im Elektro-Großhandel ist klasse, ganz ehrlich. Ich finde es immer irrsinnig spannend, den anwesenden Elektrikern bei ihren Großeinkäufen über die Schulter zu schauen, während ich so elementare Dinge wie Kabelbinder in Schwarz, wetterbeständig, oder Lehrrohre, die 25-er, Sie wissen schon, bestelle. Heute war es besonders lustig. Vor mir stand ein junger Elektromeister, der eine Bestellung abholen musste, die sein Vater, also der Seniorschef der Firma, bestellt hatte. Soweit so gut. Es ging um ein komplexes Beleuchtungskonzept mit Unterbau-Leuchten und Trafos, mit diversen Schiebern und Birnen und allem Pipapo.

Ich stehe also unter dem riesigen Ventilator in der Zwei-Mann-Schlange, bestehend aus dem Jung-Elektromeister und mir. Mein Vordermann erklärt dem Personal wortreich, dass sein Vater, der Chef, dies und das und die Unterbau-Leuchten bestellt habe. Von dem Anruf  weiß niemand. Während das Personal diesen Umstand mit viel Aufwand unter sich zu klären versuchte, klinglt das Handy des jungen Elektromeisters. Weil ich direkt hinter ihm stehe, bekomme ich alles mit. „Jaja… die Angebote sind fertig….ich bin grad im Großhandel und warte.“ Der Gesprächspartner an der anderen Leitung hat offenbar genauso viel Zeit. „Jaja, bei dem Alex und der Katrin, da kriselt es grad gewaltig. Jaja, eine ganz komische Situation.“ Wissendes Nicken. „Jaja, sowas hab ich mir auch schon gedacht….“ Ich lausche angestrengt. Für Krisen aller Art fühle ich mich mit meinem Mutter-Theresa-Syndrom stets sofort zuständig. Dabei beobachte ich fasziniert, eine winzige Bohrmaschine, die sich auf einem runden Plateau im Kreis dreht und von allen Seiten bestrahlt wird. „Jaja… die haben sich sogar ganz oben auf dem Gerüst UMARMT….“ Die Stimme bekommt ein leichtes Tremolo und steigt in den Sopran.

Schade. Die Lieferung ist doch da. Jetzt werde ich wohl nie erfahren, was bei Alex und Katrin die Krise ausgelöst hat.

Wir kommen wieder

Ich beneide alle, die ohne Kind ein Haus bauen können. Wir brauchen für jeden gemeinsamen Bau-Dienst einen Babysitter, egal ob Bretter-Tragen oder Firmenbesuch, oder wir nehmen den Knirps halt mit. Mittlerweile fragt das Sohnkind schon, wenn wir mal „nürgends wo“ hingehen: „Gehen wir heute zu keinem Schreiner?“ Nun ja. Diese Woche waren wir zwar bei keinem Schreiner, aber dafür bei einem Sanitärfachmann und Heizungsbauer. Peter, direkt aus Kindergarten und Omas Garten, steht vor Dreck. Zum Umziehen reicht die Zeit nicht, weil sowohl Papa als auch Mama im Büro getrödelt haben. Deshalb nehmen wir unser verdrecktes Sohnkind halt so mit wie es ist. Ohne Abendessen und frische Klamotten, dafür mit viel frischem Sand, Grasflecken und leichtem Sonnenbrand. Kaum im Büro des sehr freundlichen Herrn angekommen, sagt Peter: „Du hast es schön hier. Kann ich bitte ein Glas Wasser haben?“ Die Frau des netten Handwerksmeisters bringt für uns alle Wasser und Gläser. Peter trinkt zufrieden. Um dann mitzuteilen: „Jetzt hab ich aber Hunger.“ Wieder weiß die nette Gattin Abhilfe und bringt ein Überraschungsei. Peter mampft ergeben: „Mönsch, super, sogar mit ner Brosche drin. Jetzt gehe ich in die Spielecke. Wo ist die?“ Während ich den Tisch säubere und das Kind, können mein Mann und der nette Heizungsfachmann wenigstens die Details unserer Heizung klären. Eine Spielecke, bedauert der Firmenchef mit traurigem Gesicht, gebe es nicht. Peter nimmt das einigermaßen gelassen: „Dann gibt’s die halt das nächste Mal.“ So weit alles klar. Weiter im Heizungs-Text.

Bis Peter wieder die Ruhe stört: „Sag mal, wo ist Dein Klo? Ich muss mal groß.“ Ich weiß nicht, wohin ich gucken soll. Mein Mann wünscht sich vermutlich zu seiner Mama zurück in seine Single-Wohnung unter dem Dach. Ich packe den Sprössling und folge mit rotem Kopf dem netten Heizungsbauer in seine sanitären Anlagen. „Cool“, brüllt Peter, „sooo ein schönes Klo will ich auch.“ Ja. Ich spüle Dich gleich das schöne Klo runter, Du Satansbraten. Peter sitzt auf, und alles passt. Wir lüften und gehen frisch gewaschen zurück in den Besprechungsraum. Der Rest des Gesprächs verläuft einigermaßen ruhig. Als wir gehen, bekommt der Zwerg eine eigene Seife, einen eigenen Labello und einen eigenen kleinen Meterstab. Das Kind strahlt vor Glück und sagt: „Danke schön. Du bist so nett. Und alles ist so schön. Sogar die Kaktusse auf dem Balkon. Wir kommen wieder.“ So eine Drohung für so einen netten Mann. Er tut mir Leid.

Am Tag darauf. Peter zieht seine Lieblings-blaue-Latzhose an (viel zu kurz, und trotz Hitze mit gestrickten Socken): „Jetzt fehlt nur noch das Heizungsbauer-Logo. Weil ich werd jetzt Rockstar und Heizungsbauer in einem schönen Büro.“