Peter und ich schauen alte Bilder an. Bilder, auf denen sein Papa mit ungefähr drei Jahren zu sehen ist. „Peter, rate mal“, sag‘ ich wenig einfallsreich, „auf dem Foto ist Dein Papa drauf.“ Peter betrachtet das gelbstichige 70er-Jahre-Bild genau. Es ist an der Fasnet aufgenommen und gleicht rund einem Dutzend solcher Bilder, wie man sie wohl in jedem Fotoalbum finden kann und wie sie zu Hochzeiten gern als Bilderpräsentation gezeigt werden. Darauf zu sehen: ein alberner Cowboy. Ein weniger alberner Cowboy mit gewaltigem Schnauzbart. Ein Pilz, den sein Hut juckt und der dementsprechend unleidlich drein sc haut. Ein Cowboy, dem offenbar die Munition ausgegangen ist. Ein Clown, der nichts zu lachen hat. Dazu: ein kleiner Indianer mit, naja, Bauchansatz, dem sein prächtiger Kopfputz so schwer lastet, dass er ganz sorgenvoll drein blickt. Peter ist ratlos: „Du willst doch nicht etwa sagen, dass der kleine, dicke Indianer links mein Papa ist?“ Hmmm. Nun ja. Doch.
Schlagwort: Fasnet
Narr im Leiden
Peter hat immer dann, wenn er wächst, Probleme mit Bauchweh. Hatte er schon als Baby. Am Samstag war es mal wieder soweit, das Männchen klagte und jammerte, kreidebleich und elend, von Übersäuerung und Bauchdrücken geplagt. Er schlief dann zeitig ein, kurz vor 17 Uhr. Und wurde nicht mehr wach. Was heißt das dann wohl? Heute morgen um 2.30 Uhr war der Thronfolger fit wie ein Turnschuh. Schrie nach Essen (das Leiden war vorbei), wollte kuscheln und glotzen. Nach etlichem Hin und Her (für das ich zu solcher Tageszeit definitiv NICHT geschaffen bin) schlief er noch einmal ein. Sein erster Satz an mich: „Nicht dasss Du denkst, ich bin noch krank. Heute ist Fasnetszumzug, und da ist kein vernünftiger Mensch krank.“
Komisches Gefühl
Ich sitze mutterseelenallein in meinem großen Haus. Das Sohnkind nächtigt heute bei Oma Lotte. Der Mann ist noch auf seiner geliebten Baustelle. Ich warte bis er heimkommt, dann gehen wir zur Fasnet. Der Mann und ich. Um es klar zu sagen: Alles ist also allerbestens. Ich gehe zur Fasnet mit meinem Mann. Die Fasnet, die ich sehr liebe. Mit meinem Mann, ach ja, den natürlich auch. Aber trotzdem. Das stille Haus. Keiner fragt: „Wann darf ich endlich glotzen?“ Oder quengelt nach Schokolade. Ich versuche, das Gefühl einzuordnen. Früher war ich gern allein, habe lang in einer großen Wohnung allein gelebt. Heute ist das anders. Ich fühle mich – ja einsam. In Mitten von so viel Ruhe (ich weiß, ich habe mir an genau dieser Stelle schon sehr oft über die Hektik und die Lautstärke unseres Haushaltes beschwert). Zumal das Sohnkind grad beim Abschied ein, zwei Tränchen verdrückt und geflüstet hat: „Aber gell, Mamilein, ich darf JEDERZEIT anrufen, wenn ich zurück zu Dir will.“ Klar, Peterchen. Darfst Du. Ich auch?
Brei für den Teufel
Wir haben wieder Fasnet – schwäbisch-alemannisch also das, was anderswo Karneval oder Fasching heißt. Unser Dörflein hat eine Zunft; ich stamme zwar nicht von hier, gehe aber zum „Narren“, seit ich meinen Mann kenne. Also mittlerweile auch schon fast seit zehn Jahren. Mir macht es Spaß, während der Umzug Schabernack mit den Zuschauern zu treiben (natürlich in Maßen :-)), kurz zu plaudern, Bonbonle abzugeben und dann weiterzuziehen. Manche Bekannte oder alte Schulfreunde trifft man exakt einmal im Jahr – auf der Fasnet.
Als dann vor gut vier Jahren unser Sohnkind das Licht der Welt erblickte, stand für uns gleich fest, dass der Zwerg mit zur Fasnet geht. Der bedauernswerte Wurm wurde also in seinem ersten Jahr als Erdenbürger gleich mit zu den Umzügen geschleift, dick verpackt im Wagen. Ich erinnere mich gut, ich hatte Muttermilch in einer Thermoskanne dabei und Karottenmatsch zum Warmmachen. Das Wasser dafür musste ich in einer Festzeltküche holen. Die Jahre danach verbrachte Peter die Umzüge in einem Buggy oder einem Bollerwagen. Oft verschlief er sie trotz großer Geräuschkulisse. Dass er bleibenden Schaden davon getragen haben könnte – diesen Eindruck gewann ich nie. Peter war seit jeher eine kleine Partyratte. Woher er das bloß hat?
Nun ja – all das mag übertrieben sein. Gestehe ich zu. Auch die Tatsache, dass ich meinem Männchen schon früh die Angst vor den Masken, den Larven, nehmen wollte – noch dazu, wo wir zu Hause eine Teufelsmaske haben, eine freundlich ausschauende zwar, aber halt trotzdem eine Teufelsmaske. Ab November saß stets der Fif (so nannte Peter den Teufel, er konnte Mephisto nicht sagen) bei uns am Tisch. Er lebte mit uns, er aß mit uns, saß bei uns auf dem Sofa. Einmal hat Peter den armen Holzteufel sogar hingebungsvoll mit Dinkelbrei gefüttert, den ich großflächig abkratzen musste. Der Fif durfte regelmäßig sogar in Peters Bettchen schlafen, was ich ganz rührend fand, eng umschlungen vom Thronfolger. Mittlerweile geht Peter gern mit zu den Umzügen. Gerade vorhin hatten wir Häsprobe. Nächste Woche ist Uraufführung. Narri, Narro!